Tansanische Zeit - die effiziente Nutzung von Stundenblumen

Als wir von Deutschland über Abu Dhabi nach Tansania flogen, durchquerten wir verschiedene Zeitzonen. Zunächst zwei Stunden in die Zukunft, dann eine Stunde in die Vergangenheit. Wir reisten aber nicht nur durch die Zeit, sondern auch in ein anderes Zeitkontinuum. Und nun finden wir uns in einem Land wieder, in dem Uhren zwar vorhanden sind, allerdings nicht beachtet werden. Besonders bemerkenswert ist hierbei der Umstand, dass es in vielen Haushalten zwar Uhren gibt, diese jedoch still stehen. Sowohl in Chamazi, als auch in Maneromango und anderen Orten sahen wir, dass zuweilen sogar zwei Uhren in einem Raum hingen, jedoch beide unterschiedliche, falsche Uhrzeiten anzeigten und still standen. Die Einheimischen ignorieren die Uhren im Großen und Ganzen nicht nur, sondern lesen sie auch, sofern sie denn laufen, anders als wir. Einerseits haben sie ein zwölf-Stunden-System, wie die Briten, das sich in AM und PM aufteilen lässt. Andererseits nennen sie nie die Uhrzeit, die sie eigentlich meinen, sondern die Zahl, die der stundenangebenden Zahl gegenüber steht. Das bedeutet, wenn sie 8:00 Uhr meinen sagen sie 2:00 Uhr. Diese Regel gilt allerdings nur für den Stundenzeiger - für den Minutenzeiger gibt es keine besondere Leseregel. Unsere unterschiedlichen Uhrlesesysteme sorgten am ersten Tag hier in Tansania schon für große Verwirrung und Entsetzen. Es hieß nämlich am Montag Abend, dass wir uns um 5:00 Uhr AM an der Kirche treffen sollten, was natürlich einen kleinen Schock für uns bedeutete. Gemeint war 11:00 Uhr. Das stellte sich allerdings erst viel später heraus, als der Großteil unserer Gruppe sich bereits, mehr oder weniger widerwillig, mit dem Gedanken, so früh aufzustehen, abgefunden hatte. Auch die Einstellung der Tansaner gegenüber der Zeit ist einzigartig. Besonders deutlich wurde mir das in einer Unterhaltung mit meinem Gastbruder Frank. Einen Abend fragte er, wann Ann-Sophie und ich denn am nächsten Tag an der Kirche sein müssten. Wir nannten ihn die Uhrzeit ( 8:00) und fragten im Gegenzug, wann wir denn dann am folgenden Tag aufstehen müssten. Daraufhin antwortete er:"8:00 Uhr, 9:00 Uhr, 11:00 Uhr - schlaft so lange ihr wollt". Hier habe ich gelernt: sollst du um 8:00 Uhr da sein, bist du pünktlich, solange die acht noch vorne steht - aber wenn du unpünktlich bist ist es auch nicht schlimm. Deshalb brechen wir morgens auch immer erst dann in der Gastfamilie auf, wenn wir eigentlich schon da sein sollen- wir brauchen ja nur ein paar Minuten. Oft genug wurden wir auch in Maneromango hektisch herbei geholt - dass Essen sei fertig - nur um festzustellen, dass der Prozess des Kochens soeben erst begonnen hatte, und vermutlich noch mindestens eine Stunde dauern würde. Grundsätzlich sind die Zeitverhältnisse hier anders. Die Tansaner schaffen in "10 Minuten" mehr als jeder andere Bewohner dieser Welt! Das mag vielleicht auch daran liegen, dass 10 Minuten sich auf bis zu zwei Stunden dehnen lassen, aber eigentlich sind es ja nur einige Minuten. Momo und Meister Hora könnten noch einiges von den Einheimischen hier lernen. Obwohl die Grauen Herren hier vermutlich niemals Fuß fassen könnten- die Tansaner lassen sich durch nichts in der Welt stressen oder hetzen. Sie haben zwar alle Zeit der Welt, allerdings passen sie sich gerne an die deutsche Überpünktlichkeit an, wenn es darum geht, uns zu hetzen.
Geschrieben von Lisa

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